Auch die Vollständigkeit des not. Nachlassverzeichnis richtet sich nach dem Kenntnisstand des Erben

OLG Koblenz, Beschluss vom 30.04.18, 1 W 65/18

Sachverhalt (vereinfacht):
Der Kläger ist der Sohn der Erblasserin, der Beklagte der zweite Ehemann. Mit rechtskräftigem Teil-Urteil verurteilte das Landgericht den Beklagten u.a., Auskunft über den Bestand des Nachlasses der Erblasserin durch Vorlage ei-nes notariellen Nachlassverzeichnisses zu erteilen. Aus diesem Titel betreibt der Kläger die Zwangsvollstreckung, mit der Begründung, das vorgelegte no-tarielle Nachlassverzeichnis sei unvollständig. Die Erblasserin habe am 21.07.2010 von ihrem Bruder nach Zurückrechnung der Erbschaftsteuer von knapp 46.000,00 € mindestens 230.000,00 € geerbt. Der Notar sei in diesem Zusammenhang seiner Pflicht, bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses eigene Nachforschungen anzustellen, nicht hinreichend nachgekommen, ins-besondere habe er nicht die Kontoauszüge der letzten 10 Jahre eingesehen und berücksichtigt. Der Beklagte bestreitet eine Erbschaft in Höhe von 250.000,00 € und bezeichnet dies als „Hirngespinst“ des Klägers. Er habe keine Kontoauszüge betreffend die Jahre 2010 bis 2013. Ebenso liege ihm ein Erbschaftsteuerbescheid bezüglich des Erbfalls des Bruders der Erblasserin nicht vor. Das Landgericht hat den Antrag auf Zwangsvollstreckung zurück-gewiesen, da der Notar ausweislich der Dokumentation im Nachlassverzeich-nis auch eigene Ermittlungen bei Kreditinstituten und Grundbuchämtern durchgeführt habe. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.
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Aus den Gründen:
Der Antrag des Beschwerdeführers nach § 888 ZPO ist begründet. Der Ein-wand des Schuldners, den vollstreckbaren Anspruch erfüllt zu haben, erweist sich als unbegründet. Das vorgelegte Nachlassverzeichnis entspricht nicht der titulierten Verpflichtung des Schuldners.
Der Maßstab für die Beurteilung, ob die Auskunft vollständig gegeben wurde, wird nicht durch die Pflichten des Notars bei der Erstellung des Nachlassver-zeichnisses bestimmt, sondern richtet sich nach dem Kenntnisstand und den Erkenntnismöglichkeiten des Auskunftspflichtigen. Die zu der Einhaltung ei-nes notariellen Nachlassverzeichnisses erforderliche Mitwirkung des Notars ändert nichts daran, dass auch das notarielle Nachlassverzeichnis eine Erfül-lung der Auskunftspflicht des Erben ist, der die Verantwortung für dessen Richtigkeit und Vollständigkeit trägt. Ausgehend hiervon hat der Kläger mit dem Vortrag, dass die Erblasserin ihrerseits im Jahr 2010 nach ihrem Bruder ein Erbe in Höhe von zumindest rund 230.000,00 € angetreten und dieses aufgrund eines sparsamen Lebenswandels nicht aufgebraucht haben könnte, schlüssig Anhaltspunkte dafür dargelegt, dass der Beklagte seine Auskunfts-pflicht noch nicht erfüllt hat. Denn die im notariellen Nachlassverzeichnis vom 09.01.2017 aufgeführten unentgeltlichen Verfügungen sind nicht geeignet, ein Abschmelzen dieses ererbten Vermögens zu erklären, zumal diese Verfü-gungen in den Jahren 1996 bis 2009 und damit vor dem Erbfall vorgenom-men wurden. Das Nachlassverzeichnis weist auch für den Zeitraum ab 2010 keinen Grunderwerb aus und führt neben einem Kontoguthaben von 165.898,35 € keine sonstigen werthaltigen Vermögensgegenstände auf.
Der Beklagte hat den detaillierten Vortrag des Klägers auch nicht erheblich bestritten. Das Bestreiten und der Vortrag sind vielmehr ausweichend. So wird die Erbschaft der Erblasserin selbst nicht in Abrede gestellt, sondern nur ein konkreter Nachlasswert bestritten. Ansonsten wird der klägerische Vor-trag lediglich pauschal als „Hirngespinst“ abqualifiziert und darauf hingewie-sen, dass weder der Erbschaftsteuerbescheid noch Kontoauszüge vorliegen. Letzteres in Verkennung des Umstandes, dass sich der Beklagte als Erbe nicht auf fehlende Kontoauszüge über Konten der Erblasserin berufen kann. Ihm ist aufgrund seiner Stellung als Erbe die eigenständige Einholung dieser Kontoauszüge möglich und auch zumutbar.
Soweit der Kläger in Frage stellt, ob das vorliegende notarielle Nachlassver-zeichnis überhaupt eine formal ordnungsgemäße Auskunftserteilung darstellt, da der beauftragte Notar die geforderten eigenständigen Ermittlungen nicht getätigt habe, erscheint dies angesichts des Umstandes, dass sich das nota-rielle Nachlassverzeichnis in weiten Teilen ausschließlich in der Wiedergabe der Angaben des Beklagten erschöpft, nicht von vornherein unbegründet. Ein weitgehend auf die Wiedergabe der Bekundungen des Erben beschränktes
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notarielles Nachlassverzeichnis bringt dem Kläger nicht denjenigen Vorteil gegenüber der Privatauskunft, den das Gesetz bezweckt.
Der Anordnung des Zwangsgelds steht auch nicht entgegen, dass der Kläger von dem Beklagten gemäß Teil-Urteil die eidesstattliche Versicherung über die Vollständigkeit der Auskunft verlangen könnte, da es im derzeitigen Ver-fahrensstand noch um die Erfüllung der Auskunftsansprüche geht.
Der Gegenstandswert bemisst sich nach dem Interesse des Beschwerdefüh-rers an der Auskunft. Diese ist regelmäßig nur mit einem Bruchteil des ange-setzten Streitwerts der Stufenklage zu veranschlagen und wird hier mit 1/5 bemessen.

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